Tesla Cybertruck im ersten Test: Wild West trifft Weltraumtechnik (2024)

Tesla Cybertruck im ersten Test: Wild West trifft Weltraumtechnik

Kein Elektroauto wird so heiß diskutiert wie Teslas Cybertruck. Dabei hat noch kaum jemand darin gesessen. Wir schon – und sind ausgerechnet in Texas mit dem Pick-up zur Jungfernfahrt gestartet.

Bild: Tesla

von

Thomas Geiger

09. März 2024

Egal ob draußen auf den Ranches Richtung Fredericksburg, in New Braunfels bei den deutschen Auswanderern der ersten Stunde, in Downtown Austin oder vor Terry Black's angesagter BBQ-Bude: Texas ist Truck-Country. Mindestens jedes dritte Auto ist ein

Ford F-150

, ein

Chevrolet Silverado

oder ein

Ram

1500 – und immer mal wieder taucht hier auch einer der ersten

Tesla Cybertruck

auf. Schließlich läuft Elon Musks neuestes Modell vor den Toren der texanischen Hauptstadt vom Band, und seit November kommen Tag für Tag eine Handvoll Kunden zur Übergabe ins Werk.

Einer davon war Shaheen Badiyan, der den Cybertruck gleich am ersten Tag bestellt hat, als die Orderbücher vor mittlerweile fünf Jahren geöffnet wurden. Und während sich

Tesla

selbst gegen alle Testfahrten sperrt, hat sich der Software-Spezialist breitschlagen lassen und uns sein Auto für ein paar Stunden überlassen.

Also nähern wir uns dem schillernden Sonderling mit der gleichen Neugier, die ihm hier jeder entgegenbringt. Denn während sich nach einem normalen Pick-up in Texas nun wirklich keiner mehr umdreht, sind dem Cybertruck alle Blicke sicher. Passanten bleiben stehen und klopfen beim Ampelstopp ans angeblich aus Panzerglas gefertigte Fenster, auf dem Highway liefern sich die anderen Autofahrer mit gezücktem Handy ein Rennen um die beste Kameraposition. Und wo man aussteigt, wird man in ein Gespräch verwickelt.

Tesla Cybertruck: Weltraum-Cowboy

Das muss man verstehen: Das Format ist mit 5,70 Meter Länge gemessen an den Konkurrenten zwar eher bescheiden, und der Cybertruck ist näher an unserem

Amarok

als am F-150. Doch mit einem Bug so hoch und platt wie bei einer Planierraupe verschafft er sich im Straßenverkehr allen Respekt. Unter all den klassischen Pick-ups mit ihren mächtigen Grills und ihren muskulösen Flanken sieht der Edelstahlpanzer mit den planen Paneelen und den fast scharfen Kanten tatsächlich aus, als hätte ein Weltraum-Cowboy auf der Milchstraße die falsche Ausfahrt erwischt – selten war ein Name so passend wie beim Cybertruck.

Tesla Cybertruck im ersten Test: Wild West trifft Weltraumtechnik (2)

Rücksicht? Gibt es eher wenig. Da hilft nur die Kamera.

Bild: Thomas Geiger / AUTO BILD

Nur so genau darf man halt nicht hinschauen, wenn man sich die Faszination nicht gleich wieder verderben will: Zwar ist Badiyans Truck nach einer Woche noch frei von den Rostflecken, die in den Tesla-Foren gerade für Furore sorgen. Doch auch wenn ihn der stolze Besitzer ständig poliert, schimmert der Stahl in den unterschiedlichsten Schattierungen und hat immer und überall irgendwelche Flecken. Und ja, Präzision bei der Blechnerei geht anders.

Besonders frappierend sind die Unterschiede zwischen der neuen und der alten Pick-up-Welt aber im Innenraum. Denn wie jeder Tesla ist auch der Cybertruck so schlicht eingerichtet wie eine Klosterzelle, während

Ford

, Chevy und Co mit ihren plüschigen Sesseln und Sofas, dem dicken Leder und all dem Chromzierrat eher wirken wie Wohnzimmer auf Rädern.

Und während man über die Zahl der Bildschirme – ein großer im Tesla, bald ein halbes Dutzend im neuen Ram – noch diskutieren mag, lässt der Cybertruck all jene praktischen Tugenden vermissen, die bei den anderen in einem halben Jahrhundert gereift sind: Eine große Pritsche und ein kleiner Frunk allein machen aus einem Pick-up noch kein praktisches Nutzfahrzeug.

Tesla Cybertruck: Basismodell für 60.990 US-Dollar

Macht nichts. Zumindest nicht für Shaheen Badiyan. Schließlich ist er kein Farmer und kein Cowboy, sondern macht sein Geld mit Cybersecurity und hat den Cybertruck nur gekauft, weil er so anders ist. Und weil er sich zu den E-Fahrern der ersten Stunde zählt.

Weil es das Basismodell für aktuell angeblich 60.990 US-Dollar mit nur einem Motor an der Hinterachse und einer

Batterie

für 400 Kilometer

Reichweite

wohl frühestens nächstes Jahr gibt und das 845 PS starke Cyberbeast mit seinem irrwitzigen Sprintwert von 2,6 Sekunden erstens stolze 99.990 US-Dollar kostet und zweitens bislang nur in homöopathischen Stückzahlen ausgeliefert wird, fährt Badiyan mit dem AWD-Modell für 79.990 US-Dollar. So stehen 607 PS im Fahrzeugschein, und die WLTP-Reichweite liegt bei 547 Kilometern.

Tesla Cybertruck im ersten Test: Wild West trifft Weltraumtechnik (3)

Innen hat der Tesla den nüchternen Charme einer Klosterzelle.

Bild: Thomas Geiger / AUTO BILD

Wie groß seine Batterie ist, hat ihm Tesla nicht verraten, und Badiyan schätzt sie auf gute 100 kWh. Leer gefahren hat er sie in seinen ersten zwei Wochen jedenfalls noch nicht. Und ob am Supercharger wirklich 250 kW drin sind, hat er ebenfalls noch nicht ausprobiert: "Mir reicht die

Wallbox

daheim, ich fahre ja nicht so weit." Deshalb hat er sich auch gegen den Range Extender entschieden, der bei Tesla natürlich kein Verbrennungsmotor mit Generator ist wie bei uns etwa im

Mazda MX-30

, sondern ein zusätzlicher Akkublock, der auf der Pritsche montiert ist und bei seinem Auto gute 200 Kilometer mehr bringt. (

Schnellladen: So funktioniert die Technik bei E-Autos.

)

Dann verrät mir Badiyan seine PIN, die ich wie beim Handy brav auf dem Bildschirm eintippe und mich danach blamiere, weil ich ums Lenkrad oder sonst irgendwo nach einen Schalthebel suche. Dabei bestimmt man die Fahrtrichtung im Cybertruck genau wie seit zwei Jahren schon bei

Model S

und

Model X

auf dem Bildschirm, belehrt mich mein lachender Beifahrer mit einem Kopfschütteln.

Also wische ich in der Ecke oben links das Auto nach vorn, und von jetzt auf gleich beamt mich der Cybertruck aus dem, was Elon Musk die automobile Steinzeit nennt, in die Zukunft. Und Ben Cartwright von der Ponderosa Ranch wird zu Captain Kirk auf dem Weg durch die Galaxis. Statt des Brabbelns eines Achtzylinders hört man nur noch ein Surren, und mir nichts, dir nichts habe ich das texanische Tempolimit erreicht.

Auch bei diesem Biest aus Blech reichen 4,3 Sekunden für auf 100 – und die Faszination steigt mit der Masse, die hier so mühelos bewegt wird. Und dass der Cybertruck bis zu 180 km/h schafft, während F-150 und Co in der Regel bei etwa 160 km/h abgeregelt werden, ist natürlich auch nicht schlecht.

Cybertruck mit gewöhnungsbedürftiger Lenkung

Aber kurz danach ist es vorbei mit der Begeisterung. Denn so praktisch die Luftfederung sein mag, um die Einstiegshöhe zu reduzieren oder im Gelände die Bodenfreiheit auf mehr als 40 Zentimeter zu bringen, so schwer tut sie sich im Alltagsbetrieb mit Fahrbahnunebenheiten.

Tesla Cybertruck im ersten Test: Wild West trifft Weltraumtechnik (4)

Thomas Geiger: "Gucken ist cool, fahren … nicht so. Einen Pick-up wird der Cybertruck nie ersetzen können."

Bild: Thomas Geiger / AUTO BILD

Und als wäre der mäßige Federungskomfort noch nicht genug, ist auch die Lenkung – nun ja – gewöhnungsbedürftig. Die Kombination aus Drive-by-Wire-Technik mit variabler Übersetzung und mäßiger Rückmeldung, einer stark ausgeprägten Hinterachslenkung, grobstolligen Goodyears auf den 20-Zoll-Felgen und auch noch dem fast rechtwinkligen Lenkrad sorgt insbesondere beim Rangieren und im Stadtverkehr für ein paar unangenehm eckige Fahrmanöver.

Nach dem halben Tag in Austin fällt es schwer, sich den silbernen Sonderling als allgegenwärtiges Auto der Texaner vorzustellen und als Ersatz oder wenigstens ernsthafte Ergänzung zu F-150, Silverado und Ram 1500. Aber wahrscheinlich ist Austin trotz des Werks am Stadtrand einfach das falsche Pflaster. Am besten fahren wir beim nächsten Mal nach Houston, wo die NASA ihre Zentrale hat und der Blick bis in den Weltraum reicht. Vielleicht ist der Cybertruck in der Hauptstadt der Astronauten besser aufgehoben als bei all den Cowboys.

Technische Daten und Preis: Tesla Cybertruck AWD

  • Motor Elektro
  • Leistung 447 kW (607 PS)
  • Antrieb Allrad
  • L/B/H 5683/2201/1790 mm
  • Leergewicht 2995 kg
  • Kofferraum 3423 l
  • Zuladung 1134 kg
  • 0–100 km/h 4,3 s
  • Höchstgeschw. 180 km/h
  • Akkukapazität 123 kWh
  • Reichweite 547 km (WLTP)
  • Preis 79.990 US-Dollar

Fazit

von

Thomas Geiger

Natürlich ist der Cybertruck ein faszinierendes Auto und vor allem ein spektakuläres Statement. Und mit seinem radikalen Design stiehlt er jedem Lamborghini Urus die Schau. Aber er ist eher ein Accessoire für Angeber und Avantgardisten als ein Auto für den US-Alltag.

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